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Sexueller Kindesmißbrauch

  • Rainer Koch
  • 18. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

7 Jahre ist es her, daß pädophile Täter verhaftet wurden, welche auf einem Campingplatz in Lüdge in mindestens 1000 Fällen Kinder schwer sexuell mißbraucht hatten. 2021 erschütterte ein Fall von vielfachem schwerstem Kindesmißbrauch und Handel mit grausamen Videos der Vergewaltigungen von Kindern in Münster erneut die Republik. Die Aufarbeitung unzähliger schwerer sexueller Straftaten aus dem Bereich beider christlicher Kirchen geht immer noch sehr gehemmt voran. Aktuell beschäftigt ein Fall im rheinland-pfälzischen Jockgrim die Justiz. (https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/landgericht-landau-jockgrim-sexueller-kindesmissbrauch-vergewaltigung-kinderpornografie-100.html)


Als langjähriger Behandler von kindlichen Opfern und erwachsenen Tätern fragt man sich, warum das grundliegende Paradigma der Besserungsfähigkeit pädophiler Gewalttäter nicht in Frage gestellt wird, so dass immer wieder Freilassung nach Strafverbüssung die Regel ist, Sicherungsverwahrung als Ausnahme umfassend begründet werden muß.


Andrew Vachss war Autor und Sachverständiger des Advisory Panel on Catastrophic Child Abuse des New York State Office of Mental Health, einer der erfahrensten Kinderschützer der USA mit umfassender Felderfahrung. In Deutschland wurde er bekannt durch seine Kriminalromane und das Buch Über das Böse. Andrew Vachss im Gespräch mit Claus Leggewie (1994) .


Ich erlebte Vachss etwa 1992 in Bonn anläßlich einer Tagung der Landesvertretung Hessen, soweit ich richtig erinnere.


Andrew Vachss konfrontierte die anwesenden Vertreter des deutschen liberalen Strafvollzuges mit seinen Erfahrungen und Meinungen als Spezialist für pädophile extreme Gewalttäter.


Ich habe als Teilnehmer einer Fachtagung nie wieder eine derartig Wut im Publikum auf einen Referenten erlebt wie damals seitens der versammelten Juristen, Politiker und Strafrechtsreformer auf Vachss.


Er entließ sie einfach nicht aus ihrer Verantwortung für den Schutz von Kindern, für die Bestrafung von Verbrechen an Kindern und insbesondere nicht aus ihrer Verantwortung für das Tun pädophiler Wiederholungstäter nach Haftentlassung, Bewährungsstrafen oder Therapieauflagen. Exemplarisch für den heutigen Umgang in Deutschland ist der Fall in Münster 2021:


Nach Bericht des WDR habe sich der Mann offen zu seiner Pädophilie bekannt und zweimal eine Therapie gemacht, nach Angaben seiner Bewährungshelfer mit Erfolg. ( Sic!) Umfassende Informationen finden sich hier

Das zuständige Jugendamt sah über Jahre keine rechtlichen Möglichkeiten, den nun 14jährigen Stiefsohn vor dem pädophilen Stiefvater vorsorglich zu schützen. Wie bekannt wurde, hat der Mann seinen Stiefsohn mehrfach zum sexuellen Mißbrauch an andere pädophile Männer verkauft.


Die Meinung von Andrew Vachss zu dieser Art Tätern war:

"Chronische Sexualverbrecher haben eine osmotische Membran überquert. Sie können nicht mehr auf die andere Seite zurück — auf unsere Seite. Sie wollen das auch nicht. Wenn wir sie weder töten, noch freilassen wollen, bleibt uns nur eine Möglichkeit: Wir nennen sie Monster und isolieren sie."


Genau dies ertrugen die erzürnten Zuhörer in Bonn nicht. Sie verschoben die Verantwortung im Lauf der folgenden Diskussion auf die Psychotherapeuten. Einer der ebenfalls anwesenden sichtlich bewegten Justizminister konstatierte zwar auch das damalige Fehlen wirksamer ärztlicher oder psychotherapeutischer Therapien, versicherte aber fast schreiend, daß man alles nur Mögliche tun werde, eine adäquate Therapie zu entwickeln um diesen Menschen - den pädophilen Gewalttätern - zu helfen.


Und genau das ist die Crux auch der jetzigen Diskussion, die sich seit Jahrzehnten ähnlich wiederholt bei jedem öffentlich gewordenen Fall von schwerstem Kindesmißbrauch:

Das Gros der Medien, Politiker, Juristen, Sozialarbeiter oder Psychotherapeuten kann nicht ertragen, daß die Sichtweise von Andrew Vachss die Realität widerspiegeln könnte, daß diese Art pädophiler Gewalttäter ( nach Vachss: Soziopathen ) unheilbar sein könnten.


Eine ernsthafte weiterführende Diskussion darüber findet nicht statt.


Stattdessen: Strafverschärfung wird ansatzweise und polarisiert in die Medien getragen, schnell gefolgt von Hinweisen auf ambulante Programme wie "Kein Täter werden", die allerdings für solche Gewalttäter in keinster Weise geeignet sind.


Dies Unvermögen bzw. der Unwille zur realistischen Ansicht gefährdet als Konsequenz das Wohl vieler Kinder, welche erneut solchen Tätern überlassen bleiben, wie das aktuelle Beispiel in Jockgrim zeigt. Die mangelnde Radikalität in der Verantwortungsübernahme der Justiz gegenüber den Opfern bedeutet, daß weitere Kinder zunehmend härteren Qualen ausgesetzt werden, unter Umständen bis hin zur Tötung.


Der Kinderschutz bleibt auf der Strecke.


ree

Hier einer der ausführlichen, differenzierten Artikel von Andrew Vachss mit dem Titel "Sexualstraftäter können nicht gerettet werden", ursprünglich erschienen in der New York Times, 5. Januar 1993:  http://www.vachss.de/mission/dispatches/disp_9301_a.html

Er enthält in etwa den Vortrag der damaligen Tagung in Bonn sowie das obige Zitat von Vachss. Mehr über den Vachss auf der Seite http://www.vachss.de/

 
 
 

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